Vielfalt aus Rheinhessen – Obsthof Speth aus Wackernheim
Rudolf Speth ist seit 2006 Mitglied dieses größten deutschen Anbauverbandes und kultiviert auf 60 Hektar Betriebsfläche. Neben weißem und grünen Spargel bauen die Speths Erdbeeren, Süßkirschen, Himbeeren, Mirabellen, Pflaumen, Quitten, eine große Vielfalt an unterschiedlichen Apfelsorten und neuerdings auch Physalis an – Den zukünftigen jungen Betriebsnachfolgern mangelt es nicht an innovativen Ideen.
Erntezeit – Fast das ganze Jahr
Solche Vielfalt hat Tradition und war früher in dieser Region gang und gäbe: Fast das ganze Jahr über ist Erntezeit. Als das Team von NOVUM die Speths besucht, sind grade die Pflaumen reif und die Zweige biegen sich unter der Last der Früchte bis zum Boden.
Die Pflaumenbäume werden als Spalier gezogen und bleiben niedrig, so dass ohne Leiter geerntet werden kann. Vier Erntehelfer pflücken und stapeln die gefüllten Kisten auf den flachen Anhänger. „Die Sorte hier heißt ‚Top‘“, erklärt Rudolf Speth. „Das ist eine prima Backzwetschge.“ Die Früchte sind groß und von schöner Farbe, lilablau bereift. Der Geschmack ist feinsäuerlich und die Bäume tragen gut. „Die hängen immer so voll“, lacht der Obstbauer. „Brechend voll“, im wahrsten Sinne des Wortes, denn unter der Last der reifen Pflaumen knackt gelegentlich ein Ast. „Die eine oder andere Frucht hat ab und zu auch mal einen Wurm“, zeigt Speth und bricht eine solche Pflaume auf. „Die sind aber weicher, das spürt man beim Anfassen. Ein geschulter Erntehelfer merkt das direkt beim Pflücken.“ Solche Früchte wandern nicht in die Verkaufsschalen.
Mit seiner Mirabellenernte ist Speth in diesem Jahr recht zufrieden. Ganz im Gegensatz zum Vergangenen: „Durch den vielen Regen bekamen damals die Früchte feine Risse“, bedauert er. „Das merkt man beim Pflücken noch nicht, aber später tritt dann der Saft aus.“ Die leuchtend gelbe, rotbackige „Mirabelle de Nancy“, die er auf einem Hektar anbaut, ist trotzdem seine Lieblingsfrucht. „Am liebsten mag ich sie, wenn sie noch nicht ganz ausgereift ist.“
Von der Pflaumenanlage geht es zu den Himbeeren. Über den Pflanzenspalieren spannt sich ein gewölbtes Schutzdach, denn die empfindlichen Früchte brauchen Regenschutz. Gegen den Unkrautdruck sind die Pflanzen in Folienbahnen gesetzt. „Hier haben wir am Vortag geerntet und an NOVUM geliefert“, erinnert Speth. Trotzdem sind noch einige Früchte an den langen Ranken geblieben und können probiert werden. „Die beiden herbsttragenden Sorten ‚Himbotop‘ und ‚Polka‘, haben große, schmackhafte Früchte“, erklärt Speth. Bestätigendes Nicken der „Profi-Verkoster“ gibt ihm Recht. „Sehr aromatisch!“, meint NOVUM-Einkäufer Antonio Lopes.
Bei Sorten, die erst im Herbst tragen, sind es die einjährigen Ruten, die Früchte ansetzen. Das bietet dem Anbauer Vorteile: „Nach Abschluss der Ernte werden die Pflanzen einfach handbreit über dem Boden abgeschnitten.“ Man muss also nicht zwischen einjährigen und zweijährigen Ruten unterscheiden, wie es bei den Sommerhimbeeren der Fall ist. Von denen werden nur die abgetragenen Ruten entfernt, die neuen tragen im kommenden Jahr. „Mit der Sorte ‚Meeker‘ haben wir aber auch eine Sommerhimbeere“, ergänzt Speth. Die Himbeersaison dauert so, je nach Witterung, von Juli bis in den Oktober. Auf einer Fläche von 0,6 Hektar baut Speth diese empfindlichen Früchte an.
Schädlinge bereiten Sorgen
Das Vergnügen an seinen Himbeeren ist bei Speth allerdings nicht ungetrübt. Von einem neuen Schädling weiß er zu berichten: „Aus der Familie der Tau- oder Essigfliegen kommt die ‚Drosophila suzukii‘, die ‚Kirschessigfliege‘, die auch Himbeeren befällt. Anders als die bisher bei uns bekannten Essigfliegen, die nur überreifes Obst schätzen, schädigt die Kirschessigfliege die frischen, reifenden Früchte kurz vor der Ernte. Die Weibchen legen ihre Eier unter die Schale und dort entwickeln sich die Larven. „Dieser Schädling ist bei uns neu“, klagt der Obstbauer. Es gibt noch kein wirklich effektives Mittel, das den Befall verhindern könnte, erst recht nicht im ökologischen Anbau.
Ebenso groß wie die Himbeer-Anlage ist die Fläche mit Süßkirschen, überwiegend der Sorte ‚Samba‘. Diese großen, intensiv roten Herzkirschen haben festes, süßaromatisches Fruchtfleisch. Sie reifen Anfang bis Mitte Juli und sind köstlich nicht nur als Frischobst, sondern auch zum Einkochen oder Entsaften, für Kompott oder Kuchen. Leider besteht gerade bei den Kirschen die Gefahr, dass sie von der Kirschessigfliege befallen wird. Vor jeder Kirschernte steht also die Sorge um den Ertrag.
„Bruno“ der Erdbär
Auf dem Hof steht, als lustiges Symbol des Erdbeeranbaus, Bruno, der „Erdbär“, eine fast mannshohe Figur, Erdbeerrot mit hellen Tupfen, wie bei den Früchten. Und Erdbeeren, als die liebste Beerenart der Deutschen, gehören natürlich auch zum vielfaltigen Anbau auf dem Obsthof Speth.
Die Pflanzen wachsen, wie auch die Himbeeren, auf folienbelegten Dämmen. Das hindert nicht nur den Unkraut-Aufwuchs, sondern hält auch die Früchte sauber. Um die beliebten Früchte möglichst lange ernten zu können, hat Speth zwei Sorten gepflanzt: ‚Clery‘, eine frühe Sorte und ‚Sonata‘, die etwas später reift. Beide Sorten gelten als sehr aromatisch. Die frühen Erdbeeren, deren Blüte entsprechend zeitig beginnt, sind jedoch immer in Gefahr durch späte Fröste im Mai geschädigt zu werden.
Flexibel sein und auf Veränderungen reagieren
Auf etwa 14 Prozent der Betriebsfläche kultiviert Rudolf Speth Spargel. Nicht nur den klassischen, weißen, sondern auch, in kleinerem Umfang, Grünspargel und versuchsweise sogar eine Sorte mit lila Köpfen. Antonio Lopes, der das Vergnügen hatte, diese ungewöhnliche Sorte im Frühsommer zu kosten, ist begeistert: „Die schmecken wahnsinnig gut!“ Noch gibt es davon keine nennenswerten Mengen, wenn aber die Nachfrage steigt, wird Speth sich vielleicht entschließen, neben den weißköpfigen Klassikern auch mehr von den grünen und violetten Sorten anzubauen.
In der kurzen Spargelsaison hat Speth sechs bis sieben Mitarbeiter, die als geübte Spargelstecher sehen, wo eine der feinen Stangen aus dem Boden „schiebt“. Bei den Grünspargeln und auch den raren Violetten wachsen die Stangen über der Erde.
All diese Sonderkulturen sind sehr arbeitsintensiv und stark witterungsabhängig. Immer wieder können Unwägbarkeiten die Ernte schmälern oder sogar ganz vernichten. Wer allerdings bewusst regional und jahreszeitentypisch kauft, weiß auch, dass diese Produkte nicht immer verfügbar sein können.
Bis 2013 wurde die vielfältige Ernte der Familie Speth überwiegend direkt ab Hof verkauft. In der Scheune war der Hofladen untergebracht. Doch das kleine Anwesen liegt mitten im Dorf, schwierig hier einen Parkplatz zu finden. „Wir haben uns darum entschlossen, die Direktvermarktung aufzugeben“, erklärt Speth. „Auf dem Hof war es längst zu eng geworden, wir haben darum außerhalb des Ortes auf unserem Gelände eine große Halle errichtet.“ Hier können nun alle Geräte und Fahrzeuge untergebracht werden. Außerdem stehen in der Halle große Kühlhäuser, in denen die Apfelernte gelagert werden kann.
Äpfel sind mit 40 Prozent der Anbaufläche auf dem Speth’schen Hof das wichtigste Produkt. Und auch hier kultiviert er eine große Vielfalt: Zehn Sorten wachsen in den Apfelplantagen in Reih und Glied als Spalier in der so genannten Spindelerziehung. „Die Unterlage bestimmt das Größenwachstum“, erklärt Speth. „Gepflanzt werden zweijährige Bäumchen, im Jahr darauf kann man mit einem ersten Ertrag rechnen.“
Zwei Jahre alt ist die Anlage mit der Sorte „Gala“, die Speth den Besuchern von NOVUM vorführt. Glänzend rote, schöne Äpfel sind es, mit feinem, süßem Aroma, festfleischig und gut lagerfähig.
In der Reihe daneben steht „Elstar“, eine der beliebtesten Apfelsorten. Die Früchte reifen goldgelb mit roten Backen und haben ein fein-säuerliches Aroma.
Als sehr beliebt gilt auch der „Jonagold“, eine Züchtung aus den Sorten „Jonathan“ und „Golden Delicious“, während der „Jonagored“ eine Mutation mit kräftiger Rotfärbung ist. „Zu viele dicke Früchte“, kritisiert Speth. „Die mögen die Kinder nicht so. Aber jede Sorte hat ihre spezielle Größe.“
Auch die Sorte „Melrose“, der Rosenapfel, ist schon rotbackig. Die Früchte reifen jedoch erst ab Mitte Oktober und sind dann den ganzen Winter über, im Kühllager bis Mai lagerfähig.
Für jeden Geschmack findet sich bei Speths der richtige Apfel, seien es die frühe, süße Sorte „Delbar“, die saftige „Rubinette“, der späte, herbsüße „Braeburn“ oder der Winterapfel „Roter Boskoop“. Von der Sorte „Topaz“, die Speth neu gepflanzt hat, tragen die Bäume in diesem Jahr die ersten Äpfel.
Eine Besonderheit ist die resistente Neuzüchtung „Natyra“, die zur Zeit noch allein dem Bioanbau vorbehalten ist, und die als besonders aromatisch gilt. Auch die Hofhündin Anna lässt sich einen Apfel schmecken und benagt genüsslich die Frucht, die ins Gras geplumpst ist.
Zwischen den Reihen sind die Fahrzeilen begrünt. In den Apfel-Junganlagen zieht sich von Baum zu Baum ein Bewässerungsschlauch entlang. Das ist notwendig, um den jungen Bäumen gute Startbedingungen zu geben. „Jeder Baum muss individuell geschnitten werden, später schneiden wir dann auch mit der Maschine“, erklärt der Obstbauer. An den kurzen Trieben, den so genannten Fruchtspießen, entstehen die Blüten und damit später auch die Früchte. Dazu sind die Befruchtersorten als Pollenspender notwendig. Etwa alle zehn Bäume steht so ein Befruchter in der Reihe, die Früchte sind sehr viel kleiner, wie Zieräpfelchen. „Diese Befruchter blühen zur gleichen Zeit mit der entsprechende Ertragssorte“, so Speth. Um die Insektenpopulation zu fördern, bleiben auch die blühenden Wildpflanzen in den Reihen stehen. „Etwa 25 Jahre lang kann so ein Spalierbaum Ertrag bringen“, weiß Speth. „Pro Baum ernten wir etwa 20 Kilo im Jahr.“
— Text: Ulla Grall, Fotos: Johannes Pistorius, Christian Weber – Büro für Gestaltung und Kommunikation