Ohlig – Bioland-Gemüsebau „wie auf einer Insel“
Der Bioland-Schriftzug an der Giebelwand ist auffällig. Doch Niemand würde vermuten, dass mitten in Kesselheim, in dieser Straße mit Einfamilienhäusern, eine Gemüsegärtnerei zuhause ist. Der Koblenzer Vorort ist praktisch um die Anbauflächen herumgewachsen. „Früher hatten wir hier noch etliche andere , kleine Betriebe“, erzählt Andreas Ohlig. „Die haben alle aufgehört, sie konnten sich nicht halten.“ Nun ist die ökologische Gemüsegärtnerei ein Relikt zwischen Wohnbebauung, Hausgärten und Tennisplätzen.
Koblenz-Kesselheim ist der nördlichste Stadtteil von Koblenz. Die Gemeinde bestand einst aus zwei Orten. Es war ein kleines Fischerdorf am Rheinufer und galt als Übernachtungsort für die vorbeikommenden Schiffsleute. Heute leben hier etwa 2500 Menschen.
Vom Mischbetrieb
zum Bio-Gemüsebau
„Wir sind im Ort eine kleine Insel“ bestätigt Ohlig und erzählt über die Geschichte seines Hofs: „Der Urgroßvater hat 1908 mit dem Anbau begonnen, damals noch als Bauer mit einem Mischbetrieb mit Kühen und Landwirtschaft.“ Aus dieser Zeit stammt auch der ältere, bis unters Dach mit Efeu berankte Teil des Hauses in dem die Familie Ohlig lebt.
Der Großvater stieg dann um auf Gemüse und baute 1940 das erste Gewächshaus, „das hatte ca. 100 Quadratmeter.“ Die beiden Eltern, unter deren Leitung der Familienbetrieb in den 1960er und -70er Jahren auf die Größe von etwa zwei Hektar wuchs, arbeiten auch heute noch etwas mit. „Der Vater Bernhard Ohlig hatte bereits vor 1972 festgestellt, dass der konventionelle Anbau dem Boden schadet und wirtschaftete seither mit biologischen Methoden“, weiß der Sohn. Kompostwirtschaft, Wechselkultur, Gründüngung, keine Chemie – das waren schon die Prinzipien, bevor er sich dem Bioland-Anbauverband anschloss. „Seit 1981 sind wir Biobetrieb“, erklärt Andreas Ohlig, „und 1995 habe ich den Betrieb übernommen.“ Die Mitgliedschaft bei Bioland hat er selbstverständlich weitergeführt. „Ich bin da reingewachsen. Für mich war das ganz selbstverständlich.“ Nach dem Abschluss der Handelsschule machte er eine Lehre in einem benachbarten Betrieb. „Danach stieg ich bei meinen Eltern ein.“
Vielfältige
Produktpalette
Im Aufbereitungsraum duftet es herrlich: eine der Mitarbeiterinnen, Svetlana, die schon seit vierzehn Jahren bei den Ohligs beschäf-tigt ist, bündelt grade frischen Dill. „Wir haben keinen Hofladen“, erklärt Ohlig. „Für unsere Privatkunden, die teilweise schon 15 oder 20 Jahre bei uns kaufen, ernten wir auf Vorbestellung.“ Der größte Teil der Ernte geht aber an Wiederverkäufer wie NOVUM: eine weit gefächerte Palette verschiedenster Gemüse. Tomaten, Zucchini, Gurken und Sellerie, Bundzwiebeln und Mangold, im Frühjahr Spinat, im Herbst Hokkaidokürbisse, … „Im Laufe des Jahres kommen da mehr als dreißig Kulturen zusammen“, rechnet Ohlig nach. Tendenz ist eher steigend und der Vielfalt wird nur durch die begrenzte Betriebsfläche eine Grenze gesetzt: „Ich probier’ auch gerne immer mal wieder was Neues aus.“
Knackige Gurken,
fleischige Paprika, ...
Gerne führt der dynamische, junge Gemüseanbauer das NOVUM-Team durch seine Gewächshäuser und erzählt dabei weiter. Im ersten Haus wird grade Basilikum geerntet, daneben gedeihen in langen Reihen Peperoni und Paprika. Nicht nur die fleischigen Blockpaprika baut er an, „dies ist die Sorte Ferrari“, deutet er auf die knallroten Früchte, sondern auch den besonders aromatischen Spitzpaprika. Ein Haus weiter wachsen Auberginen. „Die gestreifte Sorte ‚Angela‘ und die lila ’Madonna‘“, erklärt Ohlig. „Die Pflanzen werden bis zu zweieinhalb Meter hoch, jede wird auf zwei bis drei Triebe gezogen und aufgebunden wie Tomaten.“ Er deutet auf kleine Tütchen, die zwischen den Pflanzen hängen: „Raubmilben sollen helfen, Schädlinge wie Spinnmilben einzudämmen.“
Auch die Schlangengurken werden kletternd kultiviert. „Wir machen Dämme“, zeigt der Gemüsebauer und deutet dann nach oben: „Die Schnur, an der die Gurken wachsen, ist auf eine Spule gewickelt und kann, entsprechend dem Wachstum der Pflanzen, nach und nach abgelassen werden.“ Die knackigen, langen Gurken waren schon unter Vater Ohlig eine der Spezialitäten des Betriebs und beim Reinbeißen stellt man fest: Kein Vergleich mit den faden „Hollandgurken“ aus dem Supermarkt.
Bio-Topfkräuter
und Jungpflanzen-Anzucht
Im so genannten „Alten Glashaus“, dem Gewächshaus, mit dem die Geschichte des Gemüsebaus der Ohligs begann, werden auf langen Tischen Jungpflanzen vorgezogen. Ohlig zeigt seine Maschine mit der die spezielle Bio-Erde zu kleinen Erdtöpfen zusammengepresst wird: „Diese Erde hat einen guten Zusammenschluss und kann, organisch aufgedüngt, die Pflanzen über die ersten Wochen ernähren.“ Hier keimen Kohl, Kohlrabi und Fenchel, „Zum Abhärten müssen die nach draußen, bevor sie ausgepflanzt werden“, und Topfkräuter wie Thymian, Schnittlauch und Salbei. „Wir haben zehn bis zwölf Sorten, die wir in Töpfen anbieten“, zählt Ohlig auf. „Minze ist dabei, Oregano und rotblättriger Sauerampfer.“ Auch Rote Bete werden vorgezogen und erst als kräftige Setzlinge ausgepflanzt. Dadurch haben die Pflanzen einen Kulturvorsprung gegenüber den unerwünschten Beikräutern – sprich „Unkraut“. „Die Bewässerung auf den Anzuchttischen erfolgt von unten her, damit die Pflanzen selbst nicht nass werden.“
Das verwendete Saatgut stammt selbstverständlich aus Bio-Anbau, die Jungpflanzen von Auberginen und Gurken kauft er zu und auch die Tomatenpflanzen erhält er von einem Bio-Erzeuger, der auf Bestellung und exakt getimt liefern kann. Es sind bewährte Sorten, rund und rot, wie zum Beispiel die „Sparta“, aber auch eine Eiertomate und eine kleinfrüchtige Cocktailtomate. „Im Oktober ist die letzte Traube abgeerntet, die ohne größeren Heizaufwand reift“, sagt Ohlig. „Erstmals haben wir einen Versuch mit veredelten Tomatenpflanzen gestartet.“ Auf die Unterlage einer robusten Wildtomate veredelt, soll die Kultursorte an Widerstandsfähigkeit und Wuchskraft gewinnen sowie für eine lange und gleichmäßige Ernte sorgen. Zwischen den Tomatenpflanzen gedeiht Basilikum. „Das fördert den Geschmack der Früchte“, weiß Ohlig.
Drinnen und draußen
Im Freiland wachsen die Zucchini: „Die hat mein Vater schon angebaut, bevor dieses Gemüse bekannt wurde. Er war recht experimentierfreudig.“ Regelmäßig müssen die Früchte geerntet werden. „Die Nachtwärme ist entscheidend für eine gleichmäßige Ernte.“ Viele Marienkäfer tummeln sich auf den Blättern. „Die vertilgen die Blattläuse“ – so denn welche da sind. Der gesunde Boden sorgt für kräftige Pflanzen und bei solch ausgeglichenem Wachstum können Schädlinge kaum gedeihen. Und wenn doch gespritzt werden muss, „dann mit nützlingsschonenden Mitteln, die im ökologischen Landbau zugelassen sind.“ Schöne Wirsingköpfe auf denen wie Perlen die Wassertropfen stehen, wachsen in Reih und Glied, Rote Bete und Bundzwiebeln wechseln mit diversen Salatsorten und Radieschen: „Das ist eine rotierende Geschichte.“ Im Außenbereich liegt eine zusätzliche Fläche, auf der Kürbisse und Kartoffeln wachsen. „Je anspruchsvoller eine Kultur ist, desto dichter muss sie beim Betrieb sein.“ Der Chef muss immer alles im Blick behalten.
Besonders auffällig ist der Mangold: Die farbenfrohe Sorte „Five Colors“ mit Stängeln in weiß, gelb, rot, orange und lila hat es Ohlig angetan: „Vor ein paar Jahren hab’ ich ihn im Katalog gesehen und musste ihn gleich ausprobieren.“ Die Experimentierfreude scheint also in der Familie zu liegen.
Daneben wächst Schnittlauch: „Über diese großen Beete kann der Bewässerungswagen fahren und jedes Beet kann separat angesteuert werden.“ Das Wasser kommt aus dem eigenen Brunnen. Durch die satzweise Bewässerung erhalten nur diejenigen Pflanzen Wasser, für die es notwendig ist. Im Gewächshaus verwendet Ohlig Tensiometer zur Messung der Bodenfeuchtigkeit, „Im Freiland ist es Erfahrungssache.“ Bei den Zwiebeln meint er: „Ohne Bewässerung ist der Zwiebelanbau im Freiland ein großes Risiko. Wir warten jetzt noch, bis sie etwas dicker geworden sind und werden dann ernten.“ Das Rucola-Beet ist verwaist, im Gewächshaus wächst schon die nächste Partie heran. „Ein bis zwei Schnitte sind möglich“, dann weicht die eine Kultur der Nächsten. Die Fruchtfolge ist ein ausgeklügeltes System und stellt hohe Anforderungen an das gärtnerische Knowhow.
Viel Handarbeit
und Freude am Beruf
Abgeerntete Flächen liegen nie lange brach. Gibt es keine Folgekultur „wird Gründüngung eingesät, eine Mischung aus Phacelia und Leguminosen.“ Die Pflanzen frieren im Winter ab und bedecken auch dann noch die Erdkrume. „Wichtig ist, dass der Boden über Winter bedeckt ist.“ Auch in den Gewächshäusern und den Folientunneln wird Gründüngung gesät. Senf zum Beispiel „mähen wir bei einer Höhe von 20 cm ab“. Er bleibt als Mulch auf der Fläche liegen oder wird eingearbeitet.
Der „Maschinenpark“ des Betriebs wirkt fast archaisch. „Viele der Maschinen und auch der Schlepper sind noch ohne Elektronik“, erklärt Ohlig. Der Vorteil: Er kann sie noch selbst reparieren. Aber einen Hänger mit absenkbarem Boden, für die Auslieferung seiner Waren hat er sich geleistet, damit entfällt beim Laden das Heben der schweren Gemüsekisten.
Wegen der vielen Handarbeit beschäftigt Ohlig im Sommer bis zu fünf Mitarbeiter. „Die Leute wohnen im Ort, oder sogar auf dem Betrieb.“ Seine anderen, fast noch wichtigeren Mitarbeiter sind die Boden-Lebewesen. Er weist auf die Bodenbedeckung mit Kleegras-Silage: „Da haben die Regenwürmer was zu tun“, lacht er. Überhaupt sind Bodengesundheit, Bodenleben und die Qualität des Grundwassers wichtige Aspekte, auf die er immer wieder zurückkommt.
„Man hat die Möglichkeit seine Arbeit selbst zu gestalten“, sagt er und sieht nur einen Wermutstropfen: „Wenn die Arbeitsspitzen im Sommer nicht wären… aber durch diese extreme Zeit muss man durch.“ Sein Beruf als Gemüseerzeuger macht ihm Freude: „So gesehen bin ich am richtigen Ort.“
— Text: Ulla Grall, Fotos: Christian Weber – Büro für Gestaltung und Kommunikation, Andreas Ohlig